[Archive copy mirrored from: http://www.sgml.de/sgml1997.htm]

Streiflichter zur SGML Europe ´97 in Barcelona

23.05.97 Ursula Raithelhuber, UB MEDIA Verlag GmbH, St. Wolfgang

Das Wetter in Barcelona war eher trübe, die Stimmung im Hotel Sofia Princesa, Veranstaltungsort der SGML Europe ´97, dafür umso besser. Tenor der Eröffnungs-Session war:

Was nützt eine gute Philosophie, wenn sie niemand versteht.

Daher:

SGML-Technik ist wichtig, SGML gut zu verkaufen, ist wichtiger.

Das Highlight der Konferenz war natürlich XML. XML (Extensible Markup Language) ist ein auf 40 Seiten Standard gekürztes, jedoch um zusätzliche Konzepte zu ergänzendes SGML für Internet- bzw. Intranetanwendungen. XML bietet wie SGML eine Syntax und nicht wie HTML eine festgelegte Semantik. Von XML versprechen sich die Entwickler, das W3C Konsortium, Working Group SGML Activity, eine elegante Konvertierung professioneller SGML-Anwendungen in Internetanwendungen. Einstimmig wurde auch betont, daß XML HTML nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzende Lösungen für anspruchsvollere Anwendungen bieten soll.

Da XML zur Zeit noch in Entwicklung ist, bleibt abzuwarten, wie schnell die Softwareindustrie Anwendungen für XML bietet. Die INSO-Produktpalette und SigmaLink von STEP unterstützen XML bereits. Es ist zu erwarten, daß weitere Softwarefirmen sehr schnell XML unterstützen werden. Selbst Microsoft hat ja schon vor längerer Zeit eine XML-Unterstützung zugesagt. Notwendig wären zuallererst Browser für XML-Daten.

Als zusätzliche in XML zu implementierende Features wurden auf der Konferenz das Verweis-Konzept und die Umsetzung in Formatierungen (Styles) genannt. Bei den Verweisen werden einfache (simple) Links und erweiterte (extended) Links unterschieden. Erweiterte Links können Features wie show=embed, replace, new besitzen. Darüberhinaus soll es Konzepte für Verweisungen geben (ähnlich wie bei HyTime), die von der Dokumentstruktur abhängen (z. B. Verweis zum zweiten Abschnitt im dritten Kapitel). Für die Ausgabe mit Formatierungen (Styles) wurden Stylesheet-Konzepte (CSS, DSSSL) und programmtechnische Konzepte (Java, andere Sprachen) erwähnt. Näheres ist in der aktuellen Version des XML Standards nachzulesen.

Als XML-unterstützende Software wurde die INSO-Softwarepalette DynaTag, DynaText und DynaWeb (Umsetzung von XML in HTML on the fly) genannt sowie Lark, ein XML-Prozessor in Java von Tim Bray (Entwickler von XML), Textuality.

Nicht ganz so spektakulär wie XML, jedoch ebenso gewichtig waren zwei weitere Begriffe auf der Konferenz: "Accessibility" sowie der Paradigmenwechsel vom Dokument (zum Mikrodokument) zur Information, mit SGML als Datendefinitionssprache.

"Accessibility", besonders im Zusammenhang mit der Informationsweitergabe von WWW-Inhalten an behinderte Menschen, war ein Thema, das dem World Wide Web Consortium (W3C) die Gründung einer speziellen Arbeitsgruppe, genannt "Web Accessibility Initiative (WAI)" wert war. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Zugangsbarrieren zu Informationen im Web zu überwinden und alternative Zugangsmöglichkeiten zu schaffen.

Auch zu HyperLinking gab es eine Reihe von Vorträgen, die alle die Link-Konzepte von HyTime (Hypermedia / Time Based Structuring Language) vorstellten. HyTime unterscheidet u. a. Links innerhalb eines Dokuments und Links in andere Dokumente. Da XML ein etwas anderes Linkkonzept verfolgt, soll die Umsetzung von HyTime-Links in XML nicht so einfach sein. Als HyTime Software wurden HyMinder, ein HyTime Engine SDK von TechnoTeacher und HyBrick, entwickelt von Eliot Kimber, Isogen, vorgestellt.

Von Verlag zu Verlag: Die meisten professionellen Verlage haben mit ihren Altdaten (und mit ihren Lektoren bzw. Produktmanagern) zu kämpfen. Der Vortrag von Matthias Kraft, C. H. Beck Verlag, zeigte dies allzu deutlich. Die Einführung von SGML in einem traditionellen Verlag ist ein jahrelanger Kampf. Welch Glück, daß wir bei UB MEDIA die strategischen Vorteile von SGML für einen Electronic Publishing-Verlag sofort erkannt haben und von Anfang an unsere Daten in SGML halten. Auch die Mehrfachhaltung von Daten, in unserem Falle vor allem Rechtsvorschriften, war für uns nie ein Thema. So können wir, frei von Altlasten, an der Zukunft von SGML mitwirken.

From Tekkie to Tekkie: Einen recht interessanten Ansatz für die Aufzeichnung von Textänderungen in SGML-Daten über temporäre Dokumente stellte Henning Moeller in seinem Vortrag "Towards an SGML Diff Using Temporal Documents" vor. Der erweiterbare Ansatz basiert auf einem änderungsorientierten Modell für strukturierte Dokumente, die zum Beispiel Objekte vom Typ "Daten", "Element", "Attribut" oder "Verweis" enthalten. Die Abweichungen zwischen zwei Dokumenten A und B werden als Sequenz von Änderungen aufgezeichnet, die auf die Objekte in Dokument A angewendet werden müssen, um den Zustand von Dokument B zu erhalten. Der Algorithmus wurde bisher in emacs (LINUX-/UNIX-Editor) implementiert.

Hauptanziehungspunkt der Software-Ausstellung war das Redaktionssystem SigmaLink von STEP. Abzuwarten bleibt, ob das Redaktionssystem auch für professionelle Anwendungen hält, was es verspricht.

U. Raithelhuber
 zurück 
 zur Homepage